Bedingungsloses Grundeinkommen

„Unsere größten Ängste sind die Drachen, die unsere größten Schätze bewachen.“ Rainer Maria Rilke

Prof. Götz Werner, Gründer von dm-drogerie markt, stellt uns die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens persönlich vor. Im Rahmen der Radtour Ideen erfahren waren wir zu Besuch im dm-Logistikzentrum in Weilerswist bei Köln.

Problem

Um am gesellschaftlichen Leben teil zu nehmen, benötigst Du heute Geld. Praktisch kein Mensch kann sich mehr selbst versorgen. Noch vor 200 Jahren arbeitete ein Großteil der Menschen v.a. selbstversorgerisch. Heutzutage leben wir in einer völligen Fremdversorgung, sind also aufeinander angewiesen und praktisch mit der ganzen Welt verbunden.

Die wirtschaftliche Produktion ist in der letzten Zeit so groß geworden, dass wir mehr Güter herstellen als wir verbrauchen können. Es gelingt uns jedoch nur teilweise, den erzeugten Wohlstand angemessen zu verteilen, bzw. jedem Menschen auch nur einen Grundanteil daran zu ermöglichen. Wir produzieren immer mehr, gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der Menschen, die über kein Erwerbseinkommen verfügen, weil sie ihren Arbeitsplatz (bspw. durch Rationalisierungsinvestitionen) verloren haben.

Betrachtet man Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Seniorenheime etc. mangelt es jedoch nicht an Arbeit in sinnvollen Tätigkeiten, jedoch häufig an Kapital, um diese Tätigkeiten ausreichend zu entlohnen. Viel wichtige Arbeit geschieht auch im Verborgenen, ohne dass die, die sie ausführen, dafür ein Einkommen erhalten (z.B. die Erziehung von Kindern, Jugendarbeit, Freiwilligenarbeit).

Viele junge Menschen haben Angst, im Leben nicht genug zu verdienen und richten die Entscheidung, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, vor allem an ökonomischen Überlegungen aus: Welcher Beruf ist sicher, wo verdiene ich genug Geld?
Diese Angst hindert Menschen daran, das zu tun, was sie wirklich wollen.

Grundidee

„§1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Die Idee ist denkbar einfach: jeder Mensch sollte, unabhängig von dem, was er tut, ein Einkommen erhalten, das ihm ein einfaches Leben als Teil der Gesellschaft in Würde ermöglicht. Wer arbeiten geht, kann dadurch mehr Geld verdienen, aber niemand muss arbeiten. 

Praktische Umsetzungen

Ein im Januar 2008 in Namibia gestartetes Pilot-Projekt war mit dem Ziel angelegt worden, die Armut in der 940 Seelen Gemeinde Omitara zu bekämpfen. Jeder Mensch von Geburt bis ins Rentenalter erhält einen Betrag von 100 Namibischen Dollar (NAD),  was 2012 ca. 8,70 EUR entspricht. Mit einer halbjährlichen Evaluation werden die Veränderungen genau überwacht.

Laut Herbert Jauch vom Labour Resource and Research Institute gibt es nach 2 Jahren folgende positive Effekte (vgl. Publik-Forum Nr. 8/2010 und Allgemeine Zeitung, Windhoek): 

Vor Einführung BGI

nach 2 Jahren BGI

Unterernährte Kinder 

ca. 50%

ca. 0%

Kinder beenden Grundschule

ca. 40%

ca. 90%

Nahrungsmittelsicherheit


20%

60%

Aufsuchen der lokalen Klinik

x

x*4

Weiterhin gibt es viele weitere positive Veränderungen in der Gesellschaft, wie der signifikante Rückgang von Kriminalität und mehr Freiheit für Frauen. (vgl. www.bignam.org

Kritik und offene Fragen

Was würdest Du machen, wenn Du ab sofort 1.000 Euro im Monat erhältst, einfach so, ohne etwas dafür zu tun? Was würden Deine Eltern tun, was Deine Nachbarn, was Deine Freunde?

Die Hauptkritik an der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens betrifft das Menschenbild: Arbeiten Menschen auch, wenn sie nicht müssen oder liegen sie dann für den Rest ihres Lebens am Strand? Können wir die Volkswirtschaft aufrechterhalten und ist es nicht zu teuer, jedem Menschen ein Einkommen auszuzahlen?
Fakt ist, dass niemand vorhersagen kann, was passieren würde, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen bei uns gäbe.
Fakt ist aber auch, dass, wer heute nicht arbeiten will, auch Wege findet, dies nicht zu tun. Und wer schon mal mit einem Menschen zusammengearbeitet hat, der eigentlich keine Lust hat zu arbeiten, der wird sich wünschen, dass Menschen nur noch das arbeiten, was sie sinnvoll finden und ihnen Spaß macht.
Wer macht dann die „Dreckarbeit“? Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen, müssten Arbeiten, die niemand tun will, so bezahlt werden, dass sie jemand tut – oder automatisiert werden.

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