Ökosoziale Marktwirtschaft

Problem

Märkte können aktuell bestehende Kräfte und gewisse Erwartungen ausgleichen. Sie können jedoch nicht in die Zukunft schauen. Es gibt Bereiche, die ein Markt definitiv nicht von alleine ausgleichen kann. Daher brauchen auch Märkte Gestaltung und sollten demokratisch kontrollierbar sein. Die „Soziale Marktwirtschaft“ basiert auf dieser Erkenntnis. Sie bezieht sich jedoch nur unzureichend auf ökologische Probleme – genau diese sind jedoch heute lebensbedrohlich für die gesamte Menschheit.

Grundidee: Reform des bestehenden Wirtschaftssystems

Durch demokratische „Spielregeln“ die Marktbedingungen so gestalten, dass es für Marktteilnehmer einfacher wird, sich ökologisch und sozial sinnvoll zu verhalten. (Man könnte auch sagen, dass sie „Anreize“ für sozial-ökologisches Verhalten erhalten sollen – dies würde jedoch deren Freiheit in Frage stellen.)
Durch Gesetzte und spezielle Steuern verhindern, dass „Kosten externalisiert“ werden können, also Unternehmen nicht die vollständigen Kosten für die mit der Herstellung ihrer Produkte verbundenen Konsequenzen aufkommen (z.B. Wasser- und Luftverschmutzung, radioaktive Abfälle etc.). Würden diese externen Kosten "internalisiert“ und die Preise damit „die Wahrheit sagen“, würden Produkte, die besonders umweltfreundlich sind, günstiger sein, als solche, die viele Ressourcen verbrauchen.
Unternehmen hätten damit ganz andere Möglichkeiten, ernsthaft nachhaltig zu arbeiten.

Erweiterung

Prof. Dr. Franz-Josef Radermacher geht davon aus, dass das Problem heute nicht die Globalisierung der Wirtschaft, sondern die Nicht-Globalisierung der Demokratie und der Politik ist: Weltweit agierende Unternehmen („global players“) könnten von Nationalstaaten erlassene Regeln und Steuern nicht nur umgehen, sondern sie sogar beeinflussen, indem sie Staaten gegeneinander ausspielen. Zwischen den Staaten entstünde so ein Standortwettbewerb, der für den Abbau wichtiger Regeln (z.B. Umweltauflagen) und der Reduktion von Steuern (wichtig für z.B. soziale Aufgaben der Staaten) führe.

Sein Vorschlag ist daher eine globale ökosoziale Marktwirtschaft. Er schlägt z.B. vor, gewisse Steuern international zu erheben (z.B. die Finanztransaktionssteuer oder die Terra-Abgabe auf Welthandel) und mit diesen Mitteln internationale Entwicklungsaufgaben zu finanzieren.
Die aktuelle Bewegung hin zu nachhaltigem Konsum ist mit Sicherheit wichtig und enthält viele Chancen. Ernsthaften Erfolg kann sie jedoch wahrscheinlich nur haben, wenn auch die Rahmenbedingungen in eine sinnvolle Richtung ausgebaut werden.

Kritik und offene Fragen

Bei dem Ziel, Marktanreize so zu gestalten, dass sie nachhaltiges Handeln fördern, besteht die Gefahr, den Menschen weiter als „homo oeconomicus“, also als einseitigen, rationalen Nutzenmaximierer zu betrachten. So wichtig es ist, die „Spielregeln“ sinnvoll zu gestalten, so wichtig ist es, den Menschen nicht nur als „Spieler, der sich an die Regeln hält“, sondern als freies Wesen zu betrachten und z.B. seine umfassende Bildung und individuelle ethische Entwicklung zu fördern. Nachhaltiges Handeln, dass von außen (z.B. durch den Markt oder Gesetze) vorgeschrieben wird, ist nicht wirklich nachhaltig. Dennoch kann eine ökosoziale Marktwirtschaft zweifelsfrei sinnvoll sein und es Menschen erleichtern, verantwortlich zu handeln ohne sich dabei wirtschaftlich zu ruinieren.

Websites

Bücher und Texte 

  • Franz Josef Radermacher, Marianne Obermüller und Peter Spiegel: Global Impact - Der neue Weg zur globalen Verantwortung.
    Carl Hanser Verlag, 2009, ISBN 9783446417304