Rückblick CEAL Festival 2016
20 Oktober 2016
CEAL FESTIVAL 2016
Zusammenbringen was zählt
Dipl. Päd. Holger Reuter
Stiftungsreferent bei der Marriott Stiftung – für zeitgemäße Bildung, Mitglied bei Ideen³ e.V.
Der Schmied kann einen Schlüssel herstellen, der später vielleicht, von Rost zersetzt, mit einer Staubschicht bedeckt in einer Schublade überdauert, ohne dass er jemals das Schloss öffnet, für das ihn sein Macher bestimmt hatte.
Wir suchen so häufig nach Lösungen ohne zu wissen ob ein Schlüssel für das Problem bereits irgendwo existiert. CEAL arbeitete knapp zwei Jahre daran lokale Initiativen in verschiedenen Ländern zu vernetzen. In enger Zusammenarbeit wurden CEAL Methoden (Community Enterprise Action Learning) dort erprobt und weiterentwickelt.
Am Ende dieses Prozesses stand, vom 2-4.September 2016 das CEAL Festival in Brüssel. An einem hochinspirierenden Wochenende kamen junge Changemaker aus fünf europäischen Ländern und 8 Initiativen zusammen, um den Abschluss dieser Projektphase und den Start in einen neuen Zyklus zu feiern. CEAL gehört zu einer Reihe von zeitgemäßen Initiativen, die von der Europäischen Union (ERASMUS) unterstützt werden, um das transeuropäische Lernen zu fördern. Aus mehreren Europäischen Projekten ist durch diese Zusammenarbeit ein spannendes Netzwerk https://ceal-network.org entstanden. Im Falle von CEAL sind es vor allem junge Changemaker aus ganz Europa, die in das Netzwerk ihre Erfahrungen einbringen und ihre Projekte/Methoden mit der CEAL Familie weiterentwickeln.
Nach einer ersten, beinahe zweijährigen Phase der Kollaboration „from roots to fuits“, konnten nun in Brüssel Erfahrungen ausgetauscht, Erfolge gefeiert und gemeinsam in die Zukunft geschaut werden. Das straff getaktete Programm des Festivals ließ uns Best Practice Initiativen in Brüssel besuchen, es bat uns in Co-Kreative Workshops und erweiterte unseren Horizont durch inspirierte Kurzvorträge. Natürlich blieb auch noch Zeit für Musik, Tanz und gesundes Essen, dass fast ausschließlich kostenfrei von lokalen Partnern zur Verfügung gestellt wurde.
Workshops
Teilnehmer konnten zwischen verschiedenen Workshops in unterschiedlichen Brüsseler Co-Working Cafés wählen. Geleitet wurden diese von eingeladenen Experten oder CEAL Partnern. Im Herzen von CEAL´s Herangehensweise liegt das Herausbilden von sozialunternehmerisch geprägten Initiativen zur Stärkung lokaler Gemeinschaften. Einige Workshops stellten Erfolgsmodelle zur Diskussion, andere beschäftigten sich mit der Frage, was die geeigneten Werkzeuge sind, um das Wohlbefinden in Gemeinschaften zu stärken oder wie entrepreneurship action learning als Innovationsmodell an Universitäten und Schulen einhalten kann.
„I see entrepreneurship education as a metaphor for educational innovation since it allows for students to take ownership over their learning environement and do thus commonly explore different value systems for entrepreneural agency in and for the world“ Peter Linde – University of Utrecht
Als Pädagoge entschied ich mich für den Workshop von Jonathan Dawson - Bringing the classroom to life - How to promote whole person learning. Ich durfte Jonathan, im Rahmen einer Projektreise diese Woche noch einmal an seinem Lehrstuhl, am Schumacher College für Transformatives Lernen, in Devon/England besuchen. Er leitet dort den Studiengang „Economics for Transition“. In seinem Impulsvortrag, im Vorfeld des Workshops, hob er die Bedeutung von Lernen und Leben in Beziehungen zu lebenden Systemen hervor. Er sprach weiter darüber, welch wichtigen Beitrag die richtige Herangehensweise in Lernprozessen für einen authentischen Paradigmenwechsel haben wird. Am Beispiel eines Selbstexperiments mit seinen Studenten, am Schumacher College, zeigte er auf, wie tiefgreifend Lehr-Lernsettings gestaltet werden können, wenn man die rechte Gehirnhälfte, also Emotion, Beziehung, Intuition mit einbezieht. Dem Modell eines festgesetzten Lerninhalts stellte er eine komplette Öffnung des Lernens gegenüber, bei dem alle Teilnehmer sich in einen offenen Forschungsprozess begeben. Das aktuelle Bildungssystem ist noch nicht bereit für die Anforderungen für das einundzwanzigste Jahrhundert, obwohl wir uns schon mittendrin befinden. „Lernstunden sollten bis ins Mark gehen, zu den Emotionen“ erzählte er. Er ermutigt seine Studenten deshalb in dem er sagt: „Denke nicht nach! Spüre einfach wie sich das in deinem Körper, und emotional anfühlt“. „Heiße die Emotionen, die Sorgen und Ängste der Teilnehmer im Klassenzimmer willkommen“ war ein weiterer Slogan Dawsons.
Wir folgen in unserem heuten Bildungssystem allzu oft fixen Annahmen wie, „Wissen muss vermittelt werden“, oder „Lernen ist ein individueller Prozess“, doch eine einfache Übung zu zweit kann zeigen, dass Lernen häufig ein gemeinschaftlicher Prozess ist, der umso besser funktioniert, je mehr man sich aufeinander einlassen kann. Wir stehen ständig und überall in Interaktion mit unserer Umwelt. Lernen bedeutet also Feedback durch seine Umwelt oder zu erfahren und mit ihr in Dialog zu treten. Lernen kann ein anregender Tanz sein. Er wird umso müheloser, je besser wir mit unser Umwelt und uns selbst im Rhythmus sind. In Anbetracht der Tatsache, dass heute ca. 70% allen Lernens informell und außerhalb formaler Lernsettings - wie Schule - stattfindet, erhält das Thema Gemeinschaft eine ganz neue Bedeutung. Lernen mit allen Sinnen und ganzheitlich bedeutet auch Lernen durch Handeln. Zeitgemäße Bildung berücksichtigt den Menschen mit all seinen Sinnen, in Interaktion mit seiner Umwelt und ermutigt ihn zu positiven Lernerfahrungen durch ergebnisoffene, erforschende Ansätze. Action Learning bedeutet die festgesetzten akademischen Vorgehensweisen zu umgehen und Lernen auf Aktivitäten aufzubauen. Einen Rahmen bieten dabei zum Beispiel Lernjournale, Fotodokumentationen, Präsenzstunden, oder das Anfertigen von Prototypen/Modellen.
Impulsvorträge
Nicht weniger spannend waren die Berichte der Teilnehmenden Partnerorganisationen aus Belgien, Deutschland, England, den Niederlanden und Spanien. Teilnehmer und Partner waren sichtlich ergriffen und beflügelt. Dieser Wind in den Segeln resultiert aus der aufsteigenden Wärme durch authentische Zusammenarbeit, durch sichtbarem Wandel in ihren lokalen Partnerprojekten und der entfaltenden Kraft der Gemeinschaften vor Ort. Teil des CEAL Prozesses zu sein bedeutet: Lernen außerhalb des Klassenzimmers, wirklich gebraucht zu werden und Zusammenarbeit in gleichwertiger Partnerschaft.
Ich freue mich deshalb sehr, dass alle CEAL Partner den Prozess weiterführen wollen. Gemeinsam wollen wir in ausgewählten Projekten weiterhin, Lernen durch Handeln ermöglichen, Gemeinschaften stärken und mit dem was aus diesen Gemeinschaften entsteht, lokale Wertschöpfung ermöglichen. Lernen muss wieder ein Auftrag der Gemeinschaft werden. Was unsere heutige Gesellschaft dringend benötigt sind nicht Bewertung durch Autoritäten und Zertifikate, sondern echte Beiträge zum Wohlergehen lokaler Gemeinschaften. Moderne IT ermöglich eine nie dagewesene Übertragbarkeit von lokalen Erfolgskonzepten. Unternehmerisches Denken und Lernen durch Handeln sind kraftvolle Instrumente die unsere Lernenden stark machen ihre eigenen Talente und vorhandenen Ressourcen optimal zum Wohle der Umwelt zu nutzen. Lernende sollen durch handlungsbasierte Ansätze mit anschließender Reflexion den Zweck ihrer Aufgaben verstehen lernen. Sie sollen begreifen, was sie mit ihren Anstrengungen erreichen möchten und woran sie ihren persönlichen Erfolg messen können.
CEAL ermutigt zu nicht weniger, als einem Perspektivwechsel in der Bildungslandschaft. Lernende sollen selbst mehr in die Gestaltung von Lernsettings und Erfolgskriterien mit einbezogen werden. In Prozessen wie dem Oasenspiel lässt sich deutlich feststellen wie produktiv die Intelligenz der Gemeinschaft sein kann. Wenn man Bildungsprozesse demokratisiert und Raum für Mitsprache lässt entstehen kraftvolle Allianzen, die auf Vertrauen und Anerkennung basieren. Projekte, die mit den CEAL Methoden arbeiten setzen häufig auf Peer-to-Peer Settings, sowie Kooperatives und Reflexives Lernen. Am wichtigsten scheint mir aber der Raum für Spiel, Freude und gegenseitige Anerkennung der erbrachten Leistungen. Ein Kernelement des CEAL Prozesses und auch des CEAL Festivals bilden deshalb Freudenrituale, Kreistänze und gegenseitige Wertschätzung, Elemente die in der heutigen Leistungsbasierten Bildungswelt zunehmend marginalisiert werden.
CEAL ist Teil eines wachsenden Feldes an Forschung und Praxis, dass die Paradigmen allgemein vorherrschenden Bildungslehre herausfordert indem es Lernen zu einem eher gemeinschaftlichen, als individuellen Prozess erklärt, indem Wissen als weniger als festen Körper, denn als sich herausformendes Element betrachtet und indem es den Lernenden unterschiedliche Kompetenzen, anstatt eines festgeformten Intellekts zugesteht. Gemessen wird dabei an den Erfolgen lokaler Modellversuche, die durch moderne Technik transparent und übertragbar gemacht werden.
Mit dem Verständnis, dass echter Wandel auch echte Beteiligung erfordert, freue ich mich, Teil des CEAL Netzwerkes zu sein und seine Methoden in einer weiteren Projektphase erproben zu können, bis wir im nächsten Jahr für ein neues CEAL Festival zusammenkommen.